Ich denke gerne gut von den Menschen

„Ihr möget Recht haben,“ erwiderte der junge Kaufmann. „Und ich schäme mich, dass ich von den Leuten nur immer das Gemeinere und Unedle denke, während ihr lieber eine schöne Gesinnung unterlegt. Und doch sind die Menschen in der Regel schlecht, habt ihr dies nicht auch gefunden, Alter?“

„Gerade weil ich dies nicht gefunden habe, denke ich gerne gut von den Menschen,“ antwortete dieser. „Es ging mir gerade wie Euch. Ich lebte so in den Tag hinein, hörte viel Schlimmes von den Menschen, musste selbst an mir viel Schlechtes erfahren und fing an, die Menschen alle für schlechte Geschöpfe zu halten. Doch da fiel mir bei, dass Allah, der so gerecht ist als weise, nicht dulden könnte, dass ein so verworfene Geschlecht auf dieser schönen Erde hause. Ich dachte nach über das, was ich gesehen, was ich erlebt hatte, und siehe – ich hatte nur das Böse gezählt und das Gute vergessen. Ich hatte nicht acht gegeben, wenn einer eine Handlung der Barmherzigkeit übte, ich hatte es natürlich gefunden, wenn ganze Familien tugendhaft lebten und gerecht waren. So oft ich aber Böses, Schlechtes hörte, hatte ich es wohl angemerkt in meinem Gedächtnis. Da fing ich an, mit ganz anderen Augen um mich zu schauen. es freute mich, wenn ich das Gute nicht so sparsam Keimen sah, wie ich anfangs dachte, ich bemerkte das Böse weniger, oder es fiel mir nicht so sehr auf, und so lernte ich die Menschen lieben, lernte Gutes von ihnen denken, und habe mich in langen Jahren seltener geirrt, wenn ich von einem Gutes sprach, als wenn ich ihn für geizig oder gemein oder gottlos hielt.“


Wilhelm Hauff
Märchen 
Erschienen bei 
Deutsche Bibliothek in Berlin 
Circa 1815 
Aus dem Abschnitt „der Scheik von Alessandria und seine Sklaven“
Zwischen den Teilen 
„Der junge Engländer“
Und
„Die Geschichte Almansors“

Den zwölf Aposteln

im Ratskeller zu Bremen in dankbarer Erinnerung.
der Verfasser
im Herbst 1827

Fans von Ziggy Stardust 1937

„Erzähle, erzähle, Jungfer Rose, die Geschichte!“ baten alle; sie aber trank bedeutend viel Wein, damit sie eine glatte Kehle bekam, und hub an: „Anno tausend sechshundert und einige zwanzig, dreißig Jahre war ein großer Krieg in deutschen Landen von wegen des Glaubens; die einen wollten so und die anderen anders, und statt daß sie bei einem Glase Wein die Sache vernünftig besprochen hätten, schlugen sie sich die Schädel ein.“

Phantasien im Bremer Ratskeller. Ein Herbstgeschenk für die Freunde des Weines. von Wilhelm Hauff, illustriert von Alfred Kubin, München und Berlin bei Georg Müller, 1914