Am nächsten Morgen klopfte jemand an seine Tür. Ein Junge stand draußen, sah mit aufmerksamen Augen zu ihm auf und fragte, ob er mitfliegen dürfe.
Mitfahren, sagte Pilâtre. Mit dem Ballon fahre man. Man sage nicht fliegen, sondern fahren. So sei es Sitte unter Ballonleuten.
Welchen Ballonleuten?
Er sei der erste, sagte Pilâtre, und er habe es so verfügt.
Und nein, natürlich könne keiner mitfahren. Er tätschelte ihm die Wange und wollte die Tür schließen.
Das sei sonst nicht seine Art, sagte der Junge und wischte sich die Nase mit dem Handrücken ab. Aber sein Name sei Gauß, er sei nicht unbekannt, und in Kürze werde er so große Entdeckungen machen wie Isaac Newton. Das sage er nicht aus Eitelkeit, sondern weil die Zeit knapp und es nötig sei, daß er an dem Flug teilnehme. Man sehe doch die Sterne von da oben besser, nicht wahr?
Klarer und nicht verschleiert vom Dunst?
Darauf könne er wetten, sagte Pilâtre.
Deshalb müsse er mit. Er wisse viel über Sterne. Man könne ihn der schärfsten Prüfung unterziehen.
Pilâtre lachte und fragte, wer einem kleinen Mann denn beibringe, so schön zu reden. Er überlegte eine Weile. Na gut, sagte er schließlich, wenn es um die Sterne gehe!
Daniel Kehlmann
Die Vermessung der Welt, Seite 64
Roman
Copyright © 2005 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Archiv für den Monat: Juni 2024
Unendliche Feinheit des Kausalgewebes
Gauß kam auf den Zufall zu sprechen, den Feind allen Wissens, den er immer habe besiegen wollen. Aus der Nähe betrachtet, sehe man hinter jedem Ereignis die unendliche Feinheit des Kausalgewebes. Trete man weit genug zurück, offenbarten sich die großen Muster. Freiheit und Zufall seien eine Frage der mittleren Entfernung, eine Sache des Abstands.Daniel Kehlmann
Die Vermessung der Welt, Seite 13
Roman
Copyright © 2005 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Papierzeug
Der Gendarm verlangte, etwas lauter als zuvor, einen Paß.
Gauß legte den Kopf auf seine Arme und rührte sich nicht. Eugen stieß ihn an, doch ohne Erfolg. Ihm sei es egal, murmelte Gauß, er wolle nach Hause, ihm sei es ganz egal.
Der Gendarm rückte verlegen an seiner Mütze.
Da mischte sich der Mann am Nebentisch ein. Das alles werde enden! Deutschland werde frei sein, und gute Bürger würden unbehelligt leben und reisen, gesund an Körper und Geist, und kein Papierzeug mehr brauchen.
Ungläubig verlangte der Gendarm seinen Ausweis.
Das eben meine er, rief der Mann und kramte in seinen Taschen. Plötzlich sprang er auf, stieß seinen Stuhl um und stürzte hinaus. Der Gendarm starrte ein paar Sekunden auf die offene Tür, bevor er sich faßte und ihm nachlief.
Gauß hob langsam den Kopf. Eugen schlug vor, sofort weiterzufahren.Daniel Kehlmann
Die Vermessung der Welt, Seite 11
Roman
Copyright © 2005 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Deutsche Turnkunst
Seltsam sei es und ungerecht, sagte Gauß, so recht ein Beispiel für die erbärmliche Zufälligkeit der Existenz, daß man in einer bestimmten Zeit geboren und ihr verhaftet sei, ob man wolle oder nicht. Es verschaffe einem einen unziemlichen Vorteil vor der Vergangenheit und mache einen zum Clown der Zukunft.
Eugen nickte schläfrig.
Sogar ein Verstand wie der seine, sagte Gauß, hätte in frühen Menschheitsaltern oder an den Ufern des Orinoko nichts zu leisten vermocht, wohingegen jeder Dummkopf in zweihundert Jahren sich über ihn lustig machen und absurden Unsinn über seine Person erfinden könne.
Er überlegte, nannte Eugen noch einmal einen Versager und widmete sich dem Buch. Während er las, starrte Eugen angestrengt aus dem Kutschenfenster, um sein vor Kränkung und Wut verzerrtes Gesicht zu verbergen.
In der Deutschen Turnkunst ging es um Gymnastikgeräte. Ausführlich beschrieb der Autor Vorrichtungen, die er sich ausgedacht hatte, damit man auf ihnen herumklimmen könne. Eine nannte er Pferd, eine andere den Balken, wieder eine andere den Bock.
Der Kerl sei von Sinnen, sagte Gauß, öffnete das Fenster und warf das Buch hinaus.
Daniel Kehlmann
Die Vermessung der Welt, Seite 9
Roman
Copyright © 2005 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Gedicht auf den Rhein
Oder fast alles. Am Schluss schreibt die pubertierende Motte noch ein Gedicht auf den Rhein: „rhein / du sülze / ach du dumme suppe / stur grummelst du an allem vorbei …“ Sie hatte sich ein Buch gekauft: „Treffen junger Autoren 1993 – Die Gewinnertexte“, auch darin waren viele Gedichte in Kleinschreibung verfasst. Man will beim Lesen schon schwer seufzen. Ohne den letzten Satz wäre das alles vielleicht ganz lustig, aber womöglich auch nicht
Andreas Stichmann: „Loreley“. Rowohlt, Hamburg 2024, 128 Seiten, 24 Euro
Campione II
Der Status des Autos wurde von der Rechtsprechung traditionellerweise dem eines individuellen Wohnsitzes gleichgesetzt, und so blieb es für Besitzer von Haustieren wie auch für Raucher einer der letzten Freiräume, eine der letzten Temporären Autonomen Zonen, die den Menschen zu Beginn des dritten Jahrtausends geboten wurde.Seite 290
Michel Houellebecq: KARTE UND GEBIET
Roman Aus dem Französischen von Uli Wittmann
© 2010 Michel Houellebecq/Flammarion
Die französische Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel
La carte et le territoire bei Flammarion, Paris. © 2011 für die deutsche Ausgabe: DuMont Buchverlag, Köln
Gutes Konzept
Care for me
Limbourg
Verwandlung nahestehender Menschen
One of the things Trump likes coming back to is new plumbing that limits the flow for shower heads or toilets. It can be the loss of little creature comforts like this. It can be hurt feelings. I think that hurt feelings might be a source of right-wing support more common than many imagine. Change imposed on you that you don’t understand the necessity of, that makes your life feel like a life of limitation instead of the abundance your remember.
Potato_Donkey_1
https://www.reddit.com/r/QAnonCasualties/comments/1dwhh4z/why_are_some_people_susceptible_and_others_not/?chainedPosts=t3_1dy4hh1
If you are pretty happy to live in reality, you are not susceptible to belief systems that deny reality and offer an alternative. If the world seems fair and just to you, if you feel valued and respected, you are much less likely to support a politician who says that your disappointments are the fault of some identifiable enemy and who promises revenge.
Potato_Donkey_1
https://www.reddit.com/r/QAnonCasualties/comments/1dwhh4z/why_are_some_people_susceptible_and_others_not/?chainedPosts=t3_1dy4hh1