Drommetenrot

„Und manchmal fasst mich eine jähe Angst und treibt mich ans Fenster, es ist mir, als müsse dort oben das furchtbare Licht in ungeheuren Wellen über den Himmel rauschen, und ich kann es nicht fassen, das über mir die Sonne steht, von silbernem Dunst verhüllt, von purpurnen Wolken umdrängt oder einsam in der unendlichen Bläue des Himmels, und rings um mich her, wohin ich auch blicke, die uralten, ewigen Farben, die Farben der irdischen Welt.
Niemals mehr habe ich seit jenem Tag das grauenvolle Drommetenrot gesehen.“

Der Meister des jüngsten Tages, Leo Perutz, 1923, Nachdruck Östereichischer Verlag für Belletristik und Wissenschaft, Linz A. D.

Saint-Jean-Pied-de-Port: Die Basken

„Vorbei die Zeiten, wo die Schmiere stehenden Kinder und Frauen beim Nahen der Gendarmen den Schmugglern: „Otsoa! Otsoa! Der Wolf! Der Wolf!“ zuriefen – der Wolf ist Vegetarier geworden, weil es keine Schafe mehr gibt. Vorbei Romantik, zerissenes Abendgewölk, durch das der bleiche Mond die heimlichen Contrebandiers bescheint, Schmugglerliebe und Schmugglertod . . . Kino.

geusenweg auf aachen zu

Vor allem deshalb, weil ja heute keinem vernünftigen Menschen mehr die Grenze noch eine solche herzklopfenverursachende Ehrfurcht einflößt. Wir wissen doch. Wir wissen doch, wer da für wen wacht. Das Getreide soll nicht daher kommen, wo es billiger ist, die Klaviere nicht daher, wo man besser versteht, sie zu machen – künstlich hochgehalten werden Industrie, Kapital und Erwerbsmöglichkeit. Ein wirtschaftlicher Vorgang. Streicht eure lächerlichen Grenzpfähle doch nicht so feierlich an! Setzt drauf: Müllers Fettvaseline ist das Beste! Das käme der Wahrheit schon wesentlich näher.“

Ein Pyrenäenbuch von Peter Panter (aka Kurt Tucholsky) Verlag Die Schmiede Berlin 1927