Stopping by Woods on a Snowy Evening

Whose woods these are I think I know.
His house is in the village though;
He will not see me stopping here
To watch his woods fill up with snow.

My little horse must think it queer
To stop without a farmhouse near
Between the woods and frozen lake
The darkest evening of the year.

He gives his harness bells a shake
To ask if there is some mistake.
The only other sound’s the sweep
Of easy wind and downy flake.

The woods are lovely, dark and deep,
But I have promises to keep,
And miles to go before I sleep,
And miles to go before I sleep.

BY ROBERT FROST

https://www.poetryfoundation.org/poems/42891/stopping-by-woods-on-a-snowy-evening

Hasskommentar

Patrice schaltet das Radio und den Computer an. Wie jeden Morgen. Auch wenn es ihn verrückt macht. Als er in den Achtzigern angefangen hat, die Zeitung zu kaufen und Radio zu hören, war es anders. Es gab Aufreger, klar, aber auch Journalisten, die er gerne las oder hörte. Sein Verhältnis zu den Medien bestand nicht ausschliesslich aus Misstrauen und Feindseligkeit. Die beschissenen Kommentare über den Fall der Mauer, den Tienanmenplatz oder Scorsese, der Christus filmte, gab man am Tresen von sich – unter Leuten, die da sind, sich sehen, antworten und streiten. Man erzählte nicht nur Dummheiten, aus Wut über die eigene Anonymität, weil man dazu verdammt ist, größtmöglichen Schwachsinn von sich zu geben, und weil man auf das ohrenbetäubende Schweigen der eigenen Ohnmacht zurückgeworfen ist. Heute würde er gerne Ordnung schaffen, aber er kriegt es nicht hin. Er schlägt Zeitungen auf, die er damals nie gekauft hätte. Irgendwas schleicht sich mit vergifteten Tentakeln in seinen Kopf, er kann es nicht analysieren, es weckt nur Wut. Die Lust, zuzuschlagen, egal gegen wen, krankhaften Ekel. Er hat keine Lust, in den Chor der Hasskommentare einzustimmen, keine Lust, ein Blog aufzumachen, um sich auszukotzen, er hat keine Lust, dem Scheißestrom sein eigenes bescheuertes Würstchen hinzuzufügen. Aber er kann sich nicht von dem geöffneten Fenster losreißen. Jeden Morgen hat er das Gefühl, sich hinzusetzen und der Welt beim Vergammeln zuzusehen. Von der herrschenden Elite scheint niemand zu begreifen, dass man dringend den Rückwärtsgang einlegen müsste. Im Gegenteil, es sieht so aus, als wären sie geradezu scharf drauf, möglichst schnell in den Abgrund zu rasen.

© 2015 Virginie Despentes
Das Leben des Vernon Subutex 1
2017 Aus dem Französischen von Claudia Steinitz
Verlag: Kiepenheuer&Witsch

Die Wanderratten


„Es gibt zwei Arten von Ratten:
Die hungrigen und die satten.
Die satten bleiben vergnügt zu Haus,
Die hungrigen aber wandern aus.
Sie wandern viel tausend Meilen,
ganz ohne Rasten und Weilen,
Gradaus in ihrem grimmigen Lauf,
Nicht Wind noch Wetter hält sie auf. Sie klimmen wohl über die Höhen,
Sie schwimmen wohl über die Seen;
Gar manche ersäuft oder bricht das Genick.
Die lebenden lassen die todten zurück.
[…]
So eine wilde Ratze,
Die fürchtet nicht Hölle, nicht Katze;
Sie hat kein Gut, sie hat kein Geld
Und wünscht aufs Neue zu theilen die Welt.
Die Wanderratten, o wehe!
Sie sind schon in der Nähe.
Sie rücken heran, ich höre schon
Ihr Pfeifen, die Zahl ist Legion.
O wehe! wir sind verloren,
Sie sind schon vor den Thoren!
Der Bürgermeister und Senat,
Sie schütteln die Köpfe, und Keiner weiß Rath.
Die Bürgerschaft greift zu den Waffen,
Die Glocken läuten die Pfaffen.
Gefährdet ist das Palladium
Des sittlichen Staats, das Eigenthum.
Nicht Glockengeläute, nicht Pfaffengebete,
Nicht hochwohlweise Staatsdekrete,
auch nicht Kanonen, viel Hundertpfünder,
Sie helfen euch heute, ihr lieben Kinder!
Heut helfen auch nicht die Wortgespinste
der abgelebten Redekünste,
Man fängt nicht Ratten mit Syllogismen,
Sie springen über die feinsten Sophismen.
Im hungrigen Magen Eingang finden
Nur Suppenlogik mit Knödelgründen,
Nur Argumente von Rinderbraten,
begleitet mit Göttinger Wurst-Citaten.
ein schweigender Stockfisch, in Butter gesotten,
Behaget den radikalen Rotten
Viel besser, als ein Mirabeau
Und alle Redner seit Cicero.“
Heinrich Heine

Menschen auf der Straße

„Tagelang hatte ich das Für und Wider einer Flucht gewogen, in schlaflosen Nächten mir das Hirn zermartert, bis ich den Gedanken endgültig aufgab. Es war hoffnungslos, durch ein von den Deutschen besetztes Gebiet unbemerkt zu entwischen. Eine Festnahme auf der Flucht konnte meine Lage nur unendlich verschlimmern. Das endlose Grübeln über diesen Plänen hatte mich nicht nur innerlich zerrüttet, es hatte mich auch körperlich niedergeworfen.
In der Eingebung einer Sekunde hatte ich dann alle die sorgfältig gereiften Vorsätze und Überlegungen im Nu zerrissen und abgetan; ich war über die Mauer gesetzt unter Umständen, weit übler als alles, was ich mir je ausmalen konnte, keine dreißig Schritte von der Zufahrtstraße der Deutschen entfernt, ohne Gefährten und ohne Geld, ohne ein einziges Stück meiner Habe. Dennoch waren alle die Sorgen, die mich Tag und Nacht bedrängten, mit einem Schlag abgeschüttelt.“
Artur Rosenberg: Menschen auf der Straße, Juni – Juli 1940 in Frankreich, erschienen 1946 Wiener Verlag