Bauernhaus

„Bei diesem Hause nehme ich Abschied. Lange werde ich kein solches Haus mehr zu sehen bekommen. Denn ich nähere mich dem Alpenpaß, und hier nimmt die nördliche, deutsche Bauart ein Ende, samt deutscher Landschaft und deutscher Sprache.

Wie schön ist es, solche Grenzen zu überschreiten! Der Wanderer ist in vieler Hinsicht ein primitiver Mensch, so wie der Nomade primitiver ist als der Bauer. Die Überwindung der Seßhaftigkeit aber und die Verachtung der Grenzen machen Leute meines Schlages trotzdem zu Wegweisern in die Zukunft. Wenn es viele Menschen gäbe, in denen eine so tiefe Verachtung für Landesgrenzen lebte wie in mir, dann gäbe es keine Kriege und Blockaden mehr.
Es gibt nichts Gehässigeres als Grenzen, nichts Stupideres als Grenzen. Sie sind wie Kanonen, wie Generäle: solange Vernunft, Menschlichkeit und Friede herrscht, spürt man nichts von ihnen und lächelt über sie, – sobald aber Krieg und Wahnsinn ausbricht, werden sie wichtig und heilig. Wie sind sie uns Wanderern in den Kriegsjahren zur Pein und zum Kerker geworden! Der Teufel hole sie!“Zeichnung: Hermann Hesse
„Ich zeichne das Haus in mein Notizbuch, und mein Auge nimmt von deutschem Dach, deutschem Gebälk und Giebel, von mancher Traulichkeit und Heimatlichkeit Abschied. Noch einmal liebe ich all dieses Heimatliche mit verstärkter Innigkeit, weil es zum Abschied ist. Morgen werde ich andere Dächer, andere Häuser lieben. Ich werde nicht, wie es in Liebesbriefen heißt, mein Herz hier zurücklassen. Oh nein, ich werde mein Herz mitnehmen, denn ich brauche es auch drüben über den Bergen, zu jeder Stunde. Denn ich bin ein Nomade, kein Bauer.“
Hermann Hesse: Wanderung
S. Fischer / Verlag / Berlin / 1922

Clemens Brentano in einem Brief an Sophie von Schweizer

„Ich bin jetzt, was man so nennt, so ziemlich am Leibe ganz gesund, und wenn ich mit diesem Briefe fertig bin, wende ich mich zu der Krankheit meiner armen Seele, erforsche mein Gewissen, und bereite mich zu einer Generalbeichte … Indem ich, auf der Höhe des Lebens angelangt, fühle, dass der Abhang vor mir ist, sitze ich wie ein armer, müder und kranker Wandersmann unter einem Kreuze des Weges, ein wenig Wasser aus dem Quell zu trinken, und ein Stückchen Brot zu essen, dessen Du und die Deinigen mir auch ein Teil in den Ranzen gesteckt haben; lohne es Gott vieltausendmal an Euch und Euren armen Seelen!“
lissabon - schnaps und fisch © 2007

Lost Tracks

shellfish - closely confined with a view to the sea“Telegraph Avenue,” Michael Chabon’s rich, comic new novel, is a homage to an actual place: the boulevard in Northern California where Oakland — historically an African-American city — aligns with Berkeley, whose bourgeois white inhabitants are, as one character puts it, “liable to invest all their hope of heaven in the taste of an egg laid in the backyard by a heritage-breed chicken.” The novel is equally a tribute to the cinematic style of Quentin Tarantino, whose films its characters study and discuss, and whose preoccupations pepper its pages: kung fu, cinematic allusions and the blaxploitation films of the 1970s; and an interest in African-American characters and experience. Chabon and Tarantino make an unlikely duo; while the latter’s films tend toward gaudy eruptions of violence, Chabon bends Tarantino’s sensibility to a warmhearted novel about fatherhood in which the onstage violence consists of two graphic childbirth scenes and a 15-year-old boy whacking a chubby thug with a wooden sword. A self-help book in the style of Andrei Tarkovsky would be hardly more oxymoronic.
New York Times vom 6.9.2012